«Es gibt noch wichtige Anliegen, die ich in Angriff nehmen möchte»

Regierungsrätin Michèle Blöchliger im Büro

Das Gespräch mit Michèle Blöchliger findet in ihrem frisch gelüfteten Büro statt, mit dem gebührenden Abstand und mit Maske. «Wer hätte erahnt, dass das Coronavirus noch immer das vorherrschende Thema ist, fast zwei Jahre nach der ersten Sitzung der Corona-Taskforce in der Gesundheitsdirektion im Februar 2020?», sagt Michèle Blöchliger. Zu jenem Zeitpunkt war sie gerade gut anderthalb Jahre in ihrem Amt als Regierungsrätin. Und als Gesundheits- und Sozialdirektorin ist sie zusammen mit ihrer Direktion besonders gefordert. «Die Pandemie hat die Zusammenarbeit zwischen den Ämtern respektive Abteilungen in der Direktion trotz allem Stress noch weiter verbessert», vermag sie der Situation auch positive Seiten abzutrotzen. «Es hat uns zusammengeschweisst.»

Die kleinen Strukturen, wie sie der Kanton Nidwalden kenne, funktionierten gut. «Aber sie kommen ans Limit, auch personell», betont sie. Zwölfstundentage seien bei einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ihr nach wie vor die Regel – und das an fünf oder gar sechs Tagen pro Woche. Trotzdem sei ihnen das Lachen noch nicht vergangen, hält Michèle Blöchliger fest. «Wir machen immer mal wieder einen Scherz zwischendurch und das ist sehr wichtig und tut der Seele gut.» Denn die Arbeit gehe nicht aus. Nicht zuletzt auch die wiederkehrenden Stellungnahmen zu den vorgeschlagenen Coronamassnahmen des Bundes und den daraus folgenden Veränderungen gäben viel zu tun. Man schicke sich immer wieder in die neuen Aufgaben und doch fühle es sich an wie ein Projekt ohne Ende. «Wir sind langsam etwas müde», räumt Michèle Blöchliger ein. «Wie die Bevölkerung auch.»

Blumen und Schoggi, aber auch Beschwerden und Beleidigungen

Gerade aus der Bevölkerung gebe es immer wieder aufbauende Feedbacks. «Leute bringen uns Blumen oder Schoggi vorbei, wir erhalten Anrufe und E-Mails.» Natürlich gebe es auch die andere Seite: Beschwerden, anonyme Briefe, Beschimpfungen, persönliche Beleidigungen. «Auch diese Äusserungen nehmen wir ernst», sagt sie. «Es ist das Wichtigste, dass man nahe an den Bürgerinnen und Bürgern sein kann in diesen Situationen.»

Kein Problem stellt für sie dar, dass sie als SVP-Vertreterin in der Regierung sitzt. «Ich habe grosses Verständnis für die Partei», sagt sie. Mit deren Positionen könne sie gut umgehen, sie habe ja früher unter anderem in der Schweizerischen-Parteileitung Einsitz gehabt und habe die SVP Nidwalden gründen dürfen. «Freiheit und insbesondere die Freiheitsrechte sind wichtig für alle Menschen, nicht nur in der SVP.» Darin sei auch die Kritik an den Coronamassnahmen begründet. «Das ist auch gut, dass eine Partei sich dafür engagiert und das ausspricht, was vielleicht doch einige Leute in diesem Land denken und sich nicht mehr getrauen zu sagen», so Blöchliger. Als kantonale Exekutivpolitikerin habe sie jedoch eine ganz andere Funktion als zum Beispiel jemand im eidgenössischen Parlament: «Ich bin verantwortlich für die Gesundheitsversorgung von Jung und Alt sowie das soziale Netz im Kanton. Ich kann das gut trennen.»

Altersleitbild und Lunis

Auch wenn die Coronapandemie Michèle Blöchligers Direktion übermässig beschäftigt, ist sie nicht das einzige Thema. «Das Altersleitbild haben wir gerade noch vor der Pandemie abschliessen können», sagt sie. Dessen Umsetzung liege ihr sehr am Herzen, auch wenn es im Moment leider etwas auf die Seite geschoben worden sei. «Wir wollen das Leitbild mit den Gemeinden weiterentwickeln und Themen wie Wohnen im Alter oder Mobilität im Alter vertieft anschauen.» Generell gehe es darum, die Herausforderungen, die sich bei Altersfragen stellten, anzugehen und die Massnahmen, die skizziert worden seien, umzusetzen.

«Froh bin ich auch, dass Lunis nun in trockenen Tüchern ist und die Revision des Spitalgesetzes Realität geworden sei. Auch kleinere Projekte wie die Revision des Kinderbetreuungsgesetzes würden die Direktion beschäftigen. Weiter erwähnt sie die Aufarbeitung der Zwangsmassnahmen vor 1981. Sie sei zufrieden, dass das Parlament den Kredit dafür gewährt habe.

Verkehr und die Energieversorgung sind wichtige Themen für Nidwalden

Mit Blick über ihre eigene Direktion hinaus ortet sie den Verkehr als wichtiges Thema. «Das Gesamtverkehrskonzept ist ein matchentscheidender Punkt.» Es sei auch wichtig, dass man sich mit klimatischen Themen auseinandersetze. Doch noch viel wichtiger sei ihr die Energie. «Ich habe grosse Bedenken, ob wir es wirklich schaffen, in der Schweiz bis 2050 genügend Energie zu produzieren, wenn wir nicht mehr auf die Atomenergie zurückgreifen können.» Darum sollte man unbedingt auch Technologien wie Wasserstoff oder Geothermie ins Auge fassen.

Neben ihrem Beruf als Regierungsrätin hat Michèle Blöchliger auch noch eine Familie mit einem sehr unterstützenden Ehemann sowie früher drei und jetzt noch zwei schulpflichtigen Kindern. «Meine Kinder haben eine Mutter, die seit langem in der Politik ist, und sie kennen mich fast nur mit einem politischen Engagement. Von daher gehört das zu unserem Familienalltag.» Und auch wenn das seltsam klingen möge, mit den Zwillingen Funktionsgleichungen zu lösen oder Vulkanentstehungen zu büffeln, helfe ihr beim Abschalten: «Ich muss dann den Kopf vollkommen woanders haben.» Ansonsten sei das Abschalten vom Job recht schwierig derzeit: «Ich gehe gerne wandern oder laufen in der Natur. Die frische Luft tut mir gut, um meinen Kopf zu lüften.»

Gesundheits- und Sozialdirektion ist spannend und vielfältig

«Es gab in den letzten zwei Jahren Momente, wo ich nicht ganz sicher war, ob ich noch einmal antreten will. Das gebe ich zu», sagt Michèle Blöchliger auf die Frage nach der Motivation fürs Weitermachen als Regierungsrätin. «Doch gibt es noch ganz wichtige Anliegen in meiner Direktion, die ich noch in Angriff nehmen möchte», sagt sie mit Blick auf die erwähnten Altersfragen oder die integrierte Gesundheitsversorgung. «Das ist mir wichtig und ich würde gerne die Chance erhalten, dies voranzutreiben.» Sie habe 16 Jahre auf der parlamentarischen Seite politisiert und ihr Hobby zu ihrem Beruf machen dürfen. «Das motiviert mich zusätzlich, für unseren Kanton mit Menschen für Menschen Projekte zu realisieren.»

Nach den Regierungsratswahlen könnte etwas Bewegung in die Zuteilung der Direktionen kommen. «Zur Frage eines Direktionswechsels habe ich mir noch keine konkreten Gedanken gemacht», sagt Michèle Blöchliger. Erst wolle sie ohnehin die Wiederwahl abwarten. «Man soll nie nie sagen, doch habe ich mich sehr gut eingearbeitet in der Gesundheits- und Sozialdirektion.» Es sei spannend und vielfältig, sie sehe heute keinen Grund zum Wechseln.


«Die Aufgabe als Regierungsrätin macht mir wirklich Freude, ganz nach dem Motto ‹guet lose, härzhaft apacke›»,


sagt Michèle Blöchliger. Sie sei jemand, die sich gerne für Menschen einsetze und engagiere wie in ihrem vorhergehenden Beruf als Rechtsanwältin. Als sie neu in der Direktion begonnen habe, sei der erste Reflex gewesen: «Jetzt kommt eine SVPlerin, und das im Sozialen.» Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten diesen ersten Gedanken schon nach ein paar Monaten revidiert. «Sie haben gemerkt, dass ich differenziert denke, die verschiedenen Facetten anschauen will und dann die Themen weiterdiskutiere.» Man habe im Haus gemerkt, dass auch Politikerinnen und Politiker der SVP sozial denken und handeln können, wenn es die Umstände erfordern.

Angesprochen auf ihre Wahlchancen am 13. März meint sie, sie habe den Vorteil, als Bisherige ins Rennen steigen zu können. In ihrem Wahlkampf möchte sie ihr Onlineprofil schärfen. «Auf diese Weise möchte ich auch mit der jüngeren Bevölkerung direkter in Kontakt kommen können. Ich denke, da gibt es ein grosses Potenzial, das mir durchaus auch noch Sympathien entgegenbringt.»


Quelle: Luzerner Zeitung

24.01.2022